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Ingvar AmbjörnsenDas Katzenhaus am Grindelberg

Ingvar Ambjørnsen: Ich arbeite seit vierzig Jahren im Heimkontor


„Reise ins Verborgene“ ist ein ganz neuer, noch nicht fertiggeschriebener Fortsetzungsthriller von Ingvar Ambjørnsen, der ab dem 3. Mai 2020 in der norwegischen Tageszeitung VG veröffentlicht wird. Und in diesem Zusammenhang brachte die Website Boktips ein Interview mit Ingvar. Hier nun auf Deutsch:
„Reise ins Verborgene“ ist ein Thriller – ein Spannungsroman, der gerade noch entsteht. Ingvar kennt die groben Züge, ist aber fast genauso gespannt wie die LeserInnen darauf, wie die Sache sich entwickeln wird. Es ist ein Text, der unmittelbar vor dem Lesen entsteht und dessen Entwicklung offen ist.
Im Auftrag von Boktips wurde Ingvar beim Schreiben gestört, um uns etwas über diesen Roman zu erzählen.

„Ich arbeite seit vierzig Jahren im Heimkontor. Das ist für mich der Normalzustand.“ Aber obwohl er daran gewöhnt ist, zu Hause zu bleiben, ist auch er von der Corona-Situation geprägt. Er hat keine besondere Bewegungsfreiheit, noch weniger als vorher, und muss andere für sich einkaufen lassen.
„Dieses Virus ist ein Killer für die Hochrisikogruppe, zu der ich gehöre. Und für Leute wie mich, also mit COPD, wird es keinerlei Rückkehr in den Normalzustand geben, so lange kein Impfstoff gefunden worden ist. Bei mir kann nicht die Rede von langsamer Lockerung sein. Wenn ich krank werde, ist es kaum wahrscheinlich, dass ich diese Geschichte hier zu Ende erzählen kann.“
Aber daran denkt er nicht. Er hat nur zwischendurch mit dem Gedanken gespielt, einen Kollegen dazuholen, und deshalb die großen Linien der Handlung festgelegt, damit eventuell jemand den Staffelstab übernehmen kann.

Ingvar Anbjörnsen, Foto: Marie-Sjoevold
In vier Wochen kommt in Norwegen ein neues Buch, in dem Elling spricht. „Niemand kann mir helfen“ ist ein Kurzroman oder Bonusbuch, so nennt Ingvar das, in dem Elling Michel Houellebecqs Roman „Lanzarote“ liest und kommentiert. Jetzt im Frühling wollte Ingvar eigentlich an einem neuen Elling-Roman arbeiten, fand das aber schwierig.
„Dieses neue Projekt hatte seinen Anfang eigentlich in einem Motivationsproblem. Ich wollte doch den neuen Elling-Roman schreiben. Aber wie schreibst jetzt du an einer Erzählung, die 2016-17 spielt? Wo die Hauptperson Elling keine Ahnung hat, was bevorsteht, nichts weiß von der Krise, in der wir uns jetzt befinden?“, fragt Ingvar rhetorisch. „Hier sitze ich – in Wirklichkeit – mitten in einem miesen Sci-fi-Film, und die, über die ich schreibe, haben davon nicht die geringste Ahnung … Ich habe Elling nicht an den Nagel gehängt, aber ich hatte das Bedürfnis, etwas anderes zu tun. Es wurde schwierig, motiviert zu sein, und ich hatte Probleme mit der Konzentration. Die Welt verändert sich von Stunde zu Stunde, und ich als Nachrichtenjunkie musste mich fragen: Wozu habe ich jetzt eigentlich Lust?“
Die Antwort war, einen Stoff hervorzuholen, an dem er schon einmal gearbeitet hatte, und diesen in die Coronazeit zu versetzen. Ingvar glaubte, ein Thema für „Reise ins Verborgene“ gefunden zu haben, bei dem es ihn wundert, dass sich noch keine anderen Krimiautoren damit beschäftigt haben. Die Handlung spielt in der Umgebung von Varangsvik, einem fiktiven Ort, ein wenig südlich von Ålesund an der Küste gelegen. Uns begegnen dort Personen aus „Die Nacht träumt vom Tag“, aber man braucht dieses Buch nicht gelesen zu haben, um in die Handlung einzusteigen.
„Es geht um eine Szene, die innerhalb und sehr gern außerhalb des Gesetzes operiert. Hier gibt es auch viele ‚Prepper‘, Leute, die sich schon seit Jahren auf eine Katastrophe vorbereitet haben. Und das passt natürlich perfekt zur aktuellen Situation“, sagt Ingvar.

Der Plot ist eine Idee, die er seit 2016 in der Schublade liegen hatte. Aber die Idee wurde beiseitegelegt, als Ingvar den vorigen Elling-Roman schrieb, „Echo eines Freundes“. „Das Seltsame ist, dass dieser Plot für die aktuelle Situation wie geschaffen ist. Ich kann darauf jetzt leider nicht weiter eingehen, ich will ja nichts verraten.“

Dennoch deutet er an, dass es sich bei „Reisen ins Verborgene“ um einen echten Thriller handelt – einen Fortsetzungsroman mit kurzen Kapiteln, leicht zu lesen und also inspiriert von der aktuellen Situation.
„Ich fand es schwer, einfach hier herumzusitzen, als sich die Ereignisse überstürzten. Ich konnte mich nur mit Mühe konzentrieren. Deshalb fand ich kurze Kapitel verlockend, auch wenn ich natürlich weiß, wohin diese Kapitel auf lange Sicht führen werden.“ Er hat so etwas schon einmal gemacht. Das letzte Peter und der Prof-Buch wurde im Auftrag von VG als Fortsetzungsroman geschrieben. Ingvar erzählt, bei einem solchen Roman müssen man anders denken als sonst. Die Spannungskurve müsse anders aufgebaut werden.
„Wenn ich das Interesse der Leser festhalten will, muss ich viele Cliffhanger und andere dramatische Wirkmitteln verwenden. Ich verspreche, dass es richtig spannend werden wird.“

Ich mache Ingvar nun darauf aufmerksam, dass er in einer alten Tradition schreibt. Ich kann die Klassiker kaum erwähnen, ehe er mir ins Wort fällt:
„Sicher, ich weiß, dass viele der alten großen Romanautoren wie Charles Dickens und Alexandre Dumas ihre Romane als Fortsetzungsromane für Zeitschriften geschrieben haben. Die kannten sich aus mit dieser Kunst. Aber ich kann etwas, das sie nicht konnten – ich weiß, wie man fürs Netz schreibt.“

VG, wo Ingvar auch als Rezensent tätig ist, wird also die ersten zehn Kapitel veröffentlichen. Ich möchte wissen, warum er mit seiner Idee nicht gleich hier bei uns bei Boktips angeklopft hat.
„Ohne VG wäre ich sicher nie aktiv genug geworden. Die haben massenhaft Leser, und ich möchte ja viele erreichen“, sagt Ingvar. „Ich habe damals ja auch ‚Peter und der Prof‘ für VG als Fortsetzungsroman gemacht. Deshalb hoffe ich auf einen fliegenden Start bei VG, um dann bei Boktips weiterzumachen. Ich hoffe, das wird eine win-win-Sache, wo mich viele LeserInnen auf der Reise begleiten.“

Ingvar Anbjörnsen, Foto: Marie-Sjoevold
Ingvar hat in der Facebook-Gruppe „Elling-Nytt“ viel Kontakt zu seinen Fans. Jetzt hofft er, dass die sich auch für den neuen Roman interessieren werden. Er ist gespannt darauf, wie sie reagieren. „Es kann ja passieren, dass ich ihre Vorschläge ab und zu kommentieren werde, wenn ich das natürlich finde.“
Er will nicht ausschließen, dass es noch mehr aus dieser Szene geben wird. „Wir müssen uns eins nach dem anderen vornehmen. Jetzt habe ich eine Handlung, deren Ende ich in der Ferne sehe. Dieser Roman kann leicht den ganzen Sommer über weitergehen, ich kann noch nicht sagen, wann ich fertig sein werde. Aber ich habe ein klares Ende für die Geschichte. Dennoch erinnert mich das alles an eine Fernsehserie. Es kann viele Staffeln geben, und „Reise ins Verborgene“ wäre dann die erste.

Das Interview wurde geführt von Knut Gørvell. Da noch nicht klar ist, wann Ingvar die Geschichte beenden wird, können wir auch noch nicht sagen, wann sie auf Deutsch vorliegen wird! Das Interview auf Norwegisch: HIER

Fotos: © Marie Sjövold
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